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Solidarität
und äußere Feinde (2015)
In
den letzten Finanzkrisen gab es keinerlei Solidarität zwischen den
europäischen Staaten. Die Hochfinanz konnte schalten und walten wie sie
wollte, und es interessierte niemanden, ob in den südlichen Ländern die
Lebensbedingungen für die einfachen Leute immer schlechter wurden.
Jedes
Land macht sein Ding, Deutschland und Großbritannien allen voran.
Die Länder haben gelernt. Jetzt, in der Flüchtlingsfrage macht wieder
jedes Land sein Ding. Wer die Flüchtlinge notgedrungen aufnehmen muss –
Griechenland, Italien, Türkei- und schließlich Deutschland, bekommt von
einigen Ländern ganz offen keinerlei Unterstützung.
Nun
sind einige Franzosen von kriminellen Arabern totgeschossen worden.
Plötzlich schreien die Europäer auf und beschwören die Gemeinsamkeit
der Werte. Sogar Russlands Putin ist wieder dabei. Dabei ist diese
Angelegenheit in Frankreich ja nur ein ganz kleines Ding, im Vergleich
zu den zerbombten Städten und den Massakern im vorderen Orient. Als die
Franzosen die arabische Bevölkerung in Algerien massakriert haben, hat
kein Staat mit demokratischen Werten Frankreich bombardiert. Die
Franzosen bombardieren jetzt aus Rache noch mehr, in einem Land, indem
es niemanden gibt, der ihnen dies erlaubt hätte. Alle wissen auch, dass
Bomben den ideologisch geprägten Mörderbanden nichts anhaben können,
sondern nur das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen. Bomben haben den
zweiten Weltkrieg nicht entschieden, zumindest nicht in Mitteleuropa,
Bomben haben den Gaza-Streifen nicht befriedet, Bomben und Drohnen
nicht Afghanistan.
Das
Schlechte kann aber auch möglicherweise sein Gutes haben. Als
Hitlers Gegner sahen, dass Hitler-Deutschland und Kaiser-Japan nur
durch den ganz großen militärischen Hammer an weiterem Unheil gehindert
werden konnten, kam eine Solidarität zustande, die vorher niemand für
möglich gehalten hätte. USA und Stalin-Russland. Als Hitler-Deutschland
besiegt und zerstört war, hörte die Gemeinsamkeit schnell wieder auf
und die Sowjetunion nahm als Feind Hitler-Deutschlands Platz ein, fast
bis zum Weltkrieg III.
Nach
der deutschen Wiedervereinigung war Russland einfach zu nett
geworden. Aber die USA und Russland haben es wieder hinbekommen mit der
Feindschaft. Sie ist allerdings nicht stark genug, um als echter
Solidaritäts-Hebel zu dienen. Putin ist nicht böse genug. Die Falken in
den USA dringen auch nicht so richtig durch.
Wenn
es jetzt zu der Situation kommt, dass der ideologische Terrorismus
in Europa zunimmt und alle betrifft, wird es erneut Solidarität geben.
Menschen brauchen das unmittelbar wirkende Böse, um sich
zusammenzuschließen. Auch Putin-Russland wird wieder im Boot sein. Und
der Iran.
Es
gibt noch andere Beispiele: in der Bundesrepublik vor der
Wiedervereinigung entstand der Sozialstaat als Antwort auf den
Kommunismus. Unsere Arbeitnehmer werden hier gut behandelt, im Osten
ausgebeutet und unterdrückt. Kaum war die Wiedervereinigung durch und
die russische Gefahr nicht mehr erlebbar, ging es los mit dem
Sozialabbau und dem Turbo-Kapitalismus.
Gemeinschaft
entsteht also nur als Antwort auf den äußeren Feind.
Europa muss den IS-Mördern eigentlich dankbar sein. Das Gute vom Bösen.
Die Europäer dürfen sich wieder an ihre Werte erinnern. Menschenrechte,
Chancengleichheit, Freiheit, Schutz für alle. Gerade noch rechtzeitig,
denn die Diktaturen kommen in Europa gerade wieder in Mode.
Auf
der Kippe steht allerdings noch, wie die Flüchtlinge eingeschätzt
werden sollen. Sind das die Guten, die vor dem Bösen fliehen? Also
Leute von uns, die nur ein wenig anders aussehen und sich etwas anders
verhalten? Oder sind das politisch-soziale U-Boote, die gekommen sind
um uns zu unglücklichen Opfern zu machen? Oh, oh, wenn die Gesellschaft
sich darauf einigen sollte, dass die Flüchtlinge die Bösen sind, dann
wird es wohl Bürgerkrieg geben. Die Guten können nämlich sehr sehr böse
werden! 19. November 2015
Die
Gruppe und das Fremde
In dem
Augenblick, wo Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zu uns stoßen,
beginnen wir uns zu fragen, wer wir denn sind.
Die Deutschen, du und ich, lassen Menschen ins Land und begrüßen sie
freundlich, weil Deutschland schon einmal so etwas erlebt hat:
Flüchtlinge. Das ist das Deutsch-Sein des mittleren zwanzigsten
Jahrhunderts: Flüchtlinge und auch Asylanten integrieren?
Die Deutschen, du und ich, haben Angst vor Überfremdung. Da kommen
Menschen, die sehen anders aus, kleiden sich anders, die meisten sind
Moslems, andere Christen, aber auch die sind anders als die Christen in
Deutschland. Sie kommen aus Ländern, weil dort fürchterliche
Kriegsgewalt herrscht, ja aber deshalb kommen sie überhaupt.
Flüchtlingsströme, die ins Land kommen, zwingen die ansässigen
Menschen, sich selber zu definieren. Wir sind wir, und die sind die.
Vorher waren wir gar nicht wir, sondern auch wir und die. Nur waren die
Unterscheidungslinien anders gezogen.
Wir wissen nicht genau wie die sind. Und dabei merken wir schnell, dass
wir auch nicht genau wissen, wer wir sind.
Mir gehen eine ganze Menge Deutschstämmige gehörig auf den Zeiger. Ich
anderen sicherlich auch. Das wird überlagert, wenn neue Gruppen
erscheinen, die sich anders und nicht immer angenehm benehmen. Böse
Leute gibt es unter denen auch.
Sind wir das Abendland? Sind die das Morgenland? Was ist das
Morgenland? Das liberale Bagdad des 11. Jahrhunderts, wo die Frau
Geschäfte führte und die Religionen einigermaßen einträchtig
nebeneinander lebten? Oder die brutalen Diktaturen in Syrien, Ägypten,
Saudi-Arabien, Marokko? Oder die mörderischen Islamisten des IS? Die
sich gegenseitig brutal bekämpfenden Sunniten und Schiiten? Sind die
nicht gerade vor denen, die die Menschlichkeit mit Füßen treten
geflohen? Also nicht so wie die?
Wir sind: Gute Menschen, brave Bürger, Reiche und Arme, Erfolgreiche
und Erfolglose, Schlaue und Dumme, Bornierte und Mitleidige,
Freigiebige und Geizige, auch korrupte Leute, Verbrecher,
Intensiv-Täter. Aber: sie sind uns vertraut. Wir sind wir. Wenn schon
einer einbricht, dann wenigstens ein Landsmann.
Das Fremde: das ist ein Reflex. Den gibt es schon im Tierreich. Ein
weißes Entenküken wird gehackt.
Die eigenen Wir- und Fremdreflexe kann man am Umgang mit Tieren
erkennen: Tiere mit rundem Kopf, die Blickkontakt aufnehmen, die Augen
nach vorn gerichtet (Katzen, Hunde, kleine Bären), Tiere mit weichem
wolligen Fell, die man streicheln kann, Tiere, die zu Menschen Kontakt
aufnehmen (Sittiche, Papageien) und nachahmen, Tiere die zu lächeln
scheinen (Delphine), die nehmen wir an, die gehören zu uns. Schlangen,
Kröten, Echsen, Spinnen, Insekten, da sind wir auf Distanz.
Interessant sind die Reaktionen des Menschen auf Ratten: ein
Kindchenschema haben sie nicht gerade. Als Haustiere sind sie
possierlich und sprechen uns emotional an. Wenn sie in Massen und im
Dunkeln auftreten oder in Gewässern finden wir sie widerlich.
Schlechte Sympathiekarten haben auch Tiere mit nicht-menschlichen
Augen. Facettenaugen. Augen mit Schlitzpupillen.
Das sich zugehörig fühlen oder sich von Fremden abgestoßen fühlen, das
sitzt beim Menschen also in ganz tiefen emotionalen Schichten.
Der Reflex kommt vor der Reflexion.
Ungleiche Gesellschaft. Wie ungleich darf eine Gesellschaft sein, damit
sie noch ohne Repression existiert?
Konkurrenz durch Fremde: die kriegen alles, siehe das Gleichnis vom
verlorenen Sohn. Eifersucht. Wie Geschwisterkonflikt oder
Hühnerhof-Picken. Ich will auch geachtet und gewertschätzt werden.
"ich habe mein Leben lang gearbeitet, und die kriegen Wohnung, Haus,
Unterhalt. Einfach für lau."
Der Hass richtet sich nicht gegen die im Land, die uns täglich
ausbeuten, sondern gegen die Dazugekommenen. Eine weitere
Ungerechtigkeit zu den schon Bestehenden.
Das ist der Unterschied zwischen Rechts und Links:
Die Rechten greifen nie die eigenen Leute mit hemmungsloser
Selbstbediener-Mentalität an, sondern die fremden Armen.
Die Linken greifen die Superreichen an und plädieren an den Sozialneid.
Das machen sie so lange, bis sie sich selber bedienen können.
Warum verehren wir unsere Führer, unseren Adel, unsere
Wirtschaftsbosse, obwohl sie sich alles unter den Nagel reißen? Warum
bezahlen wir horrende Summen für Fußballspieler und -funktionäre, und
finden das in Ordnung, gönnen aber lebensbedrohten Menschen nicht das
Schwarze unterm Fingernagel?
Wir sonnen uns stellvertretend bei den Superreichen, Erfolgreichen. Wir
identifizieren uns mit denen, die sich wie selbstverständlich alles
gönnen. "Ich möcht' so sein wie du." Denen lassen wir alles durchgehen.
Man kann doch den Höness nicht einsperren. Würden wir doch
genauso machen, wenn wir könnten. 12. November 2015
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Sozialpsychologische Forschung
Online-Artikel
Das
Leben ist unübersichtlich. Die Menschen unterliegen verschiedenen
schwer greifbaen Zwängen. Angst macht anfällig für wahnhafte
Konstrukte, die Bedrohung einfach erklären - und gleichzeitig
verhindern, dass die Ursachen der tatsächlichen Zwänge nicht bekämpft
werden.
Unbekannte
umarmen sich oder beenden eine Mail mit „LG“: Wenn Menschen sich wie
wandelnde Emoticons benehmen, verschwindet zu viel an Distanz. Ein
Kommentar. von Arno Makowsky. Tagespiegel.de 23.10.16
Angst
führt zu Aggression. Man baut sich als Opfer auf und dämonisiert
andere als Aggressor. Angst führt zum Verlust von Freiheit.
Arno
Widman, fr-online 18.05.16
Und
was genau ist es, was mich an anderen nervt? »Soziale Allergie«.
Über die Nervensägen und die Genervten. zeit-online. Stand 25.02.16
Angesichts
drohender Anschlagsgefahr schreit alles in uns nach
Abschottung. Aber das Gegenteil ist richtig: Mehr denn je müssen wir
uns dem Anderen und Fremden öffnen. „... Die Zeit ist reif für eine
paradoxe Intervention, dafür, uns zu öffnen, obwohl und gerade weil
alles nach Abschottung schreit. Wir müssen raus aus unseren
komfortablen, geschlossenen Zirkeln der Selbstvergewisserung, mitten
hinein in das Risiko der Begegnung mit dem Anderen. Auch dem Anderen in
uns selbst....“
Von
Ruth Kinet. Zeit-online Stand 06.12.15
"...Endlich werden
Araber in großer Zahl von Europäern, von Christen besser behandelt als
von ihresgleichen. Darin liegt der politische Kern der
Willkommenskultur: Was wir hier mit den Arabern machen, wird das Bild,
das sie in der Region von uns haben, prägen. Das ist eine heikle
Aufgabe und eine riesige Chance..." Das Scheitern der Realpolitik des
Westens, die menschenverachtenden Interventionen im Iran, Irak und
anderswo. Die arabischen Menschen müssen als gleichwertig anerkannt
werden. zeit-online 02.12.2015
"Wir
müssen uns im übrigen darüber im Klaren sein, dass die meisten
Informationen bei unserem Gegenüber gar nicht ankommen. Deshalb müssen
sie Klarheit stets mit Worten formen." Renè
Borbonus in Telepolis in der allgemeinen Meinungsbildung.
Stand 04.11.2015
Reinhard
Jellen: "In seinem aktuellen Buch "Religion, Volk,
Identität?" analysiert der Soziologe Rainer Schreiber den
Israel-Palästina-Konflikt und entwickelt daraus eine Kritik
"identitären Denkens", das über einen fiktiven eigenen
Nationalcharakter zu Abgrenzung, Feindbildern und
Sündenbock-Konstruktionen neigt. Telepolis, Stand 09.11.2015
Ein
Querverweis auf einen Artikel vom Uwe Wiest aus dem Jahre 1992:
Wir
wollen eigentlich einen freundlichen hilfsbereiten Umgang der
Menschen miteinander. Aber der fasziniert uns nicht. Spannend finden
wir Gewalt, weshalb sind Fernsehkrimis denn sonst auch so beliebt?
Unter den Bestsellern bei Taschenbüchern dominieren die Krimis
ebenfalls.
Außerdem
hat der Mensch eine Tendenz, sich schlecht zu benehmen, wenn
er sich nicht kontrolliert weiß (Öffentliche Toiletten beschmieren und
zerstören, Rasen auf der Autobahn und und und)
Die
Mars-Satire zäumt das Pferd von hinten auf, um das Wundern über
diese Situation wieder herzustellen. Auf dem Mars ist man eisig, und
man fürchtet die Freundlichkeit und menschliche Nähe.
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