Religiöse Feiertage strukturieren das Jahr und bieten Muße zur Besinnung.
Sie sind aber eng verbunden mit überholtem und abergläubischem Inhalt.
Das Christentum hat schon früh die Festtage der Vorreligionen okkupiert
und umgedeutet:
Jungfrauengeburt,
Gott umgekommen durch Erbsünde,
Auferstehung eines zu Tode Gefolterten nach 2 Tagen,
ein Astronaut ohne
Raumanzug,
Gruppenspinnerei auf dem Marktplatz,
Das führt dazu, dass der Sinn von vielen überhaupt nicht mehr
akzeptiert wird. Disco am Karfreitag? Weihnachten nur mit bärtigen rot
gekleideten Männern, Rentieren und Tannenschmuck, Ostern mit Hasen und
bunten Eiern? Himmelfahrt als alkoholreiche Freiluftparty für Männer?
Wenn es das allein ist, tut es dem Menschen nicht gut, macht ihn oberflächlich.
Füllen wir den Inhalt religiöser Feiertage doch mit dem passenden
übergeordneten Sinn und machen ihn damit auch für Menschen bedeutsam,
die mit dem dogmatischen Christentum und dem bärtigen Gottesmann nichts
anfangen können:
-
Karfreitag: Gedenken an die vielen durch Obrigkeiten
misshandelten und ermordeten Menschen.
Ostern: Die Freiheit und gegenseitige
Achtung auferstehen lassen. Wir feiern den Sieg des Guten.
Himmelfahrt: Gott ist verschwunden, hinterlässt aber Menschen, die nach göttlicher Weisheit streben.
Pfingsten: von einem guten Geist inspirierte frohe Menschen
stecken andere mit ihrer Freude an.
Buß- und Bettag: Aktives Sühnen im Sinne von guten Taten in
der Gegenwart für gedanken- und liebloses Verhalten in der
Vergangenheit.
Advent: Vier Wochen engagierte Arbeit am Optimismus. Wir schaffen
eine vorzeigbare Menschheit.
Das Göttliche ist eine Idee und kein Supermann mit Bart, der
etwas für die Menschen regelt oder auch nicht.
Es ist die Hoffnung einer Kreatur namens Mensch auf Erlösung von sich selbst.
© Dr. Uwe Wiest, Delmenhorst 2022
Eine ausführliche Version:
Religion beruht meines Erachtens auf einem Missverständnis über
Gott und Menschen. Die Idee „Gott“ soll erklären, warum es Leid
und böse Dinge auf der Welt gibt. Wer an Gott glaubt, beschäftigt
sich mit der Befindlichkeit dieses übermächtigen Wesens, das wütend
wird und besänftigt werden muss, das durch Beten und „Anhimmeln“
zu etwas bewegt werden kann, dem man Zorn und Liebe gleichzeitig
andichtet. Der „Gott-Kram“ hindert die Menschen am Nachdenken
über ihr Verhältnis zueinander und an der Arbeit, dieses Verhältnis
zu verbessern.
Das macht die kirchlichen Feiertage so
bedeutungsleer. Das treibt die Leute aus den Religionsgemeinschaften.
Dabei steckt in diesen Feiertagen durchaus
ein allgemeingültiger Sinn, der erst einmal herausgearbeitet werden
muss. Dann wollen die Menschen auch nicht mehr am Karfreitag und am
Buß- und Bettag herumlärmen und stattdessen über ihren
Alltagshorizont hinaus blicken.
Ein Entwurf:
Karfreitag:
Gedenken an die vielen durch Obrigkeiten
misshandelten und ermordeten Menschen.
Jesus von Nazareth ist ein Symbol dafür, wie eine Obrigkeit mit
ihrer Verstrickung in politische und militärische Abhängigkeiten
und dem Bedürfnis, ihre Pfründe zu bewahren, anders Denkende
kriminalisiert und in Schauprozessen entwürdigt und ausschaltet.
Seit jener Kreuzigung haben Menschen zwei Jahrtausende gleich
Schlimmes oder Schlimmeres erlitten. An die wollen wir denken und um
sie trauern.
Es geht auch um die mörderische Gewalt vergangener und teilweise
auch gegenwärtiger Religionsvertreter und ideologen. Solche mit
Staatsgewalt hatten in der Vergangenheit kein Problem mit Gräueltaten,
um ein Vielfaches gemeiner und schlimmer als jene Kreuzigung.
Die Kirchen haben mit ihrem Sündenbegriff daraus etwas ganz
anderes gemacht. Zum Beispiel die Kriminalisierung von sexuellem
Verhalten. Die Erfindung der Erbsünde, die angebliche Verdorbenheit der Menschen von Anfang an.
Ostern:
Gedenken an die Menschen, die Terror und
Unterdrücken überwunden haben, und die Freiheit wieder auferstehen
ließen.
Das ist die Hoffnung zum Osterfest. Die Leiden und das Sterben der
Opfer staatlicher und militärischer Gewalt aller Systeme war nicht
vergeblich. Viele haben dafür etwas getan, dass Freiheit und ein
lebenswertes Dasein neu entstand. Freiheit, gegenseitiges
Verständnis, anderen ein schönes Leben gönnen, es aushalten, wenn
andere anders denken und fühlen, das ist wahre Auferstehung.
Himmelfahrt:
Daran denken, dass es möglich ist, auch auf uns
selbst gestellt eine akzeptable menschliche Zivilisation zu
gewährleisten. Himmlische Botschafter können beruhigt abreisen.
Nach der Beglückung darüber, dass Unterdrückung, Krieg, Mord,
Ausbeutung, Gier auf Kosten anderer, also alle Schlechtigkeiten von
Menschen gegenüber Mensch (und Tier) immer wieder überwunden wurden,
nehmen wir unser Schicksal selber in die Hand.
Die Menschen sind nicht
ausgeliefert. Sie können den Himmel auf Erden schaffen. Darauf
richten wir an diesem Tag unsere Aufmerksamkeit. Wir sind
vernunftbegabt. Dann nutzen wir auch unsere Vernunft.
Pfingsten:
Von einem guten Geist inspirierte frohe Menschen stecken andere mit ihrer Freude an.
Es ist das Fest einer positiven Presse und digitalen
Kommunikation.
Wir sollen aufhören mit
der Sensationsgier, dem Verbreiten jeden Verbrechens auf dem ganzen
Planeten, auf der Anstachlung von Angst und Wut durch Sondermeldungen
über das Böse. Wir wollen alle verkünden, wie die Welt besser
gemacht werden kann, welche Beispiele es dafür gibt, wie Menschen
und Organisationen etwas „auf die Beine stellen“.
In der Presse wird jede
gräuliche Sache aufgebauscht, interessante konstruktive Sachen
bleiben hintenan. Umgekehrt sollte es sein.
Für 30 Jahre Ehrenamt gibt
es vielleicht ein Verdienstkreuz. Wenn du jemanden abstichst, wir
darüber mehrfach berichtet. Nach der Tat, über den Prozess, die
Revision, die Nachahmer und so weiter. Pfingsten heißt, wir
verkünden ab jetzt vornehmlich frohe Botschaften.
Pfingsten heißt: mit Freude erfüllt sein. Eine Botschaft, eine
Erkenntnis genießen, Freude, den richtigen Weg entdeckt zu haben.
Freude über einen wunderbaren Augbenblick ...
Buß- und Bettag:
Besinnen: was ist mir im Umgang mit meinen Mitmenschen misslungen und was geglückt? Planen: weniger von dem einen,
mehr von dem anderen.
Ich ziehe Bilanz im Sinne von zukünftigen guten Taten für
gedanken- und liebloses Verhalten in der Vergangenheit – und für
ausbaufähige gute Beispiele.
Es geht darum, zukünftig
etwas besser zu machen und aus Fehlern und Unzulänglichkeiten im
Denken, Fühlen und Handeln zu lernen. Es geht nicht darum, sich in
Gedanken an solche Unzulänglichkeiten zu suhlen. Vielmehr macht es
auch Sinn, an Situationen zu denken: wo war ich mal so, wie ich immer
sein möchte? Kann ich das in der Zukunft ausbauen? Ich möchte mit
mir und meinen Mitmenschen künftig besser umgehen und damit
zufriedener sein.
Eine ganz wichtige Frage,
die ich mir an diesem Tag stelle:
Was sind meine Ideale, und
wie kann ich meinen Idealvorstellungen mehr entsprechen?
Advent:
Die Erwartung
Das Dunkel steht für Verzagtheit, Leiden, Hoffnungslosigkeit. Und
dann kommt das Licht. Es wird besser, es gibt den Umschwung. Du erwartest ein Kind.
Du lernst jemanden kennen mit großer Bedeutung
für dich. Du besiegst deine Schmerzen. Es wird für dich bald ganz
entscheidend besser.
Die bevorstehende Erlösung kann auch der Tod sein. Bei
Nahtod-Erlebnissen sehen die Menschen ein Licht.
Zur Adventszeit gehört, dass wir versuchen, aktiv ins Licht zu
kommen. Vier Wochen immer einen Schritt weiter. Sport treiben nach
einem gerade ausgestandenen Unfall. Daran denken, womit man seinen
Mitmenschen Weihnachten eine Freude machen kann. Oder auch sich
selbst.
Weihnachten:
Das Eintreffen der Erwartung: Die frohe Botschaft
Eine schwangere Frau weiß nicht einmal, wo sie ihr Kind gebären
soll. Wie vielen Frauen geht das so, die auf der Flucht sind oder
sonst in einer misslichen Lage?
Dann wird es richtig schön. Es wird hell, Mutter und Kind stehen
im Mittelpunkt, es sind Menschen da, die Mutter und Kind bedeutsam
finden und sich mit ihnen freuen, dann wird es immer besser, es
kommen sogar drei Weise ...
In tiefer Not und Dunkelheit wird auf einmal alles ganz hell und
schön und toll.
Liegt das vielleicht auch daran, dass die Mutter weiß: ich bin
bedeutsam. Mein Kind ist bedeutsam. Komme, was da wolle!?
Es ist wichtig, sich selber zu vertrauen, an die Zukunft zu
glauben – und sich selber zu feiern, auch unter misslichen
Umständen. Weihnachten ist das positive Ergebnis unserer
unerschütterlichen Hoffnungen.
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