Logo uwewiest.de



Psychotherapie als Seelsorge

Nachrichten: immer mehr Menschen in Deutschland seien seelisch krank. Psychotherapeuten: zu wenige, zu teuer, trotzdem, die Qualität der tatsächlich ausgeübten Psychotherapie oft eher zweifelhaft.

Seelisches Leid wird dumpf als Krankheit definiert - und nicht als wesentlicher Teil menschlichen Daseins, mit dem man lernen muss, umzugehen - auch um gesund zu bleiben.


Ginge es anders und besser?


1. Menschenbild:
Seelisches Leid nicht primär als Krankheit, besser als Beladen mit Problemen, deren Lösung ohne "Herz Ausschütten" nicht gelingt ...
Linderung: Zugang zu Gefühlen und Empfindungen. Konnotationen, Zuschreibungen entwickeln ... 

2. Ansiedlung von Psychotherapie: als Behandlung oder nicht besser als Seelsorge?
Geht das? Säkularisierung, Seelsorge ohne religiöse Dogmen?
Konsequenz für Ausbildung, Erfolgskontrolle, finanzielle Sicherung und Anbindung. 

3. Psychotherapeutische Methoden als zusätzliche Möglichkeiten.
 

zu 1.

Leib und Seele

sind eng miteinander verknüpft. Gedanken, Gefühle, Empfindungen, innere Bilder, alles wird in der Physis eine Parallele haben.

Gedanken, Erlebnisse, können krank machen. Krankheiten führen zu seelischen Veränderungen oder werden von ihnen begleitet.

Entsprechend verändert die Behandlung der Seele auch das Körperliche. Behandlung des Körpers verändert die seelische Befindlichkeit.

Das weiß schon der Volksmund. Herzeleid, das schlägt mir auf den Magen ...

Trivial, oder?

Die moderne Krankenversorgung tendiert dazu, erst zufrieden zu sein, wenn ein Leiden körperlich behandelt werden kann. Was ja in vielen Fällen erfolgversprechend ist. Die rigorose Anwendung auf dem Gebiet der Seele führt allerdings dazu, dass Verstehen durch Diagnose, oft Pseudo-Diagnose, ersetzt wird. Die Therapieforschung ist erst zufrieden, wenn man Leiden durch medikamentöse Behandlungen lindert. Externe Stoffe, die im Körper etwas bewirken. Psychotherapie in Form von Gesprächen sind da eher eine Hilfskrücke. Es gibt wenig Vertrauen, dass der Körper sich selber hilft, wenn es der Seele gut geht.

Daher dürfen psychologische Psychotherapeuten keine Medikamente verschreiben, aber Ärzte dürfen Gespräche führen. (!).

Psychotherapeutische Anerkennung (Approbation, Krankenkassen-Zulassung) gibt es nach ritualisierter aufwändiger Ausbildung. Hoher Preis, teure Bescheinigungen. Aber kein Nachweis, dass Therapeut sich hilfreich verhält, ganz konkret. Es wird auch so gut wie nie geprüft, ob jemand als Person überhaupt in der Lage ist, hilfreiche Gespräche zu führen.

Die Folge ist: es gibt nicht die Kombination von 2, sondern von 4 Möglichkeiten:


Ausbildung-Erwartung und Wirklichkeit


So erklärt sich auch das gelungene Hochstapeln. Jemand hat Dokumente gefälscht und erschleicht sich einen gut dotierten Posten – und kann auch, was von ihm (von ihr) verlangt wird.

Die geringe Wirksamkeit einer gut qualifizierten Person in Psychotherapie erklärt sich aber auch damit, dass sie oder er bei der späteren Praxisausübung gar nicht das Gelernte tut, sondern etwas anderes. Zum Beispiele spezifische Ängste mit Psychoanalyse behandeln. Und das als Verhaltenstherapie abrechnen.

Oder damit, dass die Ausbildung anerkannt ist, aber zum Alltag einer Psychotherapeutin kaum etwas beiträgt. Das gibt es nicht? Oh, doch!

Manche Menschen sind für den Beruf auch einfach mäßig begabt, aber fest entschlossen, ihn auszuüben – und erreichen das Ausbildungsziel mit Entschlossenheit und Fleiß. In der Praxis hinterher ist die positive Wirksamkeit dann gering oder gar der Schaden für die Kunden groß.


zu 2.

Seelsorge

Orgel

Manchen geht es nicht gut, sie haben Probleme, mit sich, mit anderen Menschen, mit überschießenden Gefühlen wie Jähzorn, Ängste .... Sie haben Schuldgefühle …. Sie stecken irgendwie fest. Im Beruf, der Ausbildung, in der Beziehung. Sie sind einsam ….

Sie möchten ihr Herz ausschütten.

Sie möchten etwas loswerden. Aber nicht mit Fremd-Gedanken zugetextet werden.

Sie möchten ein konstruktives Selbstgespräch führen und ihre Angelegenheit angstfrei und in Ruhe klären.

Das konnte man im Prinzip und mit etwas Glück in der Kirche haben. Vielleicht immer noch.

Seelsorge, Beichte.

Der Vorteil: keine Pathologie-Diagnosen. Depression ADHS Asperger Angstneurose usw. usw.,

keine Wartezeiten.

Man muss Mitglied sein.

Der Nachteil: Und: man muss sich in den religiösen Rahmen einpassen. Zum Beispiel das Konzept der Sünde und der Erbsünde akzeptieren.

Was die Gesellschaft braucht, ist eine religions- und ideologiefreie Seelsorge für alle.

Wie würde sich Psychotherapie als Seelsorge von Psychotherapie als Krankenbehandlung unterscheiden?

Sie würde sich am Modell der humanistischen Psychologie ausrichten, vor allem an der Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers.

Die besagt, dass jeder Mensch wachsen will und kann, wenn er den Zugang zu sich selber findet.

Der erste Schritt zu einer Karriere als Psychotherapeut ist das Feststellen von Basisfähigkeiten.

Kann die Person zuhören? Hat sie genug Phantasie, sich in andere hineinzuversetzen? Hat sie einen Sprachschatz, damit sie Klienten-Äußerungen präzisieren, deutlich machen kann?

Kann sie den Wert einer Person erkennen, auch wenn diese andere Vorstellungen hat als man selber?

Kann sie eigene Erfahrungen, vor allem solche, die oberflächlich sind und bei genauem Hinsehen gar nicht passen, zurückhalten?

Das kann man mit Probegesprächen und Tonaufzeichnungen, mit Schätzskalen, überprüfen.

Manche wenige können das sofort, ohne weitere Ausbildung. Andere sind weit davon entfernt und werden es nie können, weil sie ein anderes Menschenbild haben.

Die Grundausbildung beinhaltet vor allem das Training des gesprächstherapeutischen Verhaltens. Der Lernfortschritt dieser Praxis ist das Hauptkriterium für den Erfolg der Ausbildung.

Die Praxis in der Ausbildung wird begleitet durch Supervision. Denn: jede und jeder, der eine Psychotherapie-Ausbildung macht, wird sich selber besser kennenlernen müssen, vor allem werden Widerstände und Ablehnung einer Person und des Gesagten auftreten. Daher ist ein Selbsterfahrungs-Anteil in der Ausbildung erforderlich.  

Anbindung, Finanzierung: Seelsorgende Psychotherapeuten werden über Vereine, staatliche Beratungsstellen, auch Kirchen, wenn diese sich weltanschaulich neutrale Beratung zutrauen, natürlich über Selbstzahlung finanziert. Vorstellbar ist auch eine Versicherung für die psychosoziale Versorgung Einzelner.

zu 3.

Andere psychologische Ausrichtungen und Methoden.

Gesprächspsychotherapeutisches Verhalten ist Basis-Verhalten. Es gibt spezifischere Therapieansätze für spezielle Situationen und Symptomatiken, die mit diesem Verhalten vereinbar sind. Die Gefahr besteht allerdings immer, dass diese Vereinbarkeit nicht gegeben ist und man in einen belehrenden vom Erleben des Mitmenschen wegführenden Stil hineinrutscht.

Abschlüsse von Berufs- und Studiengängen, Berufserfahrungen:

Es soll an dieser Stelle nicht erörtert werden, ob für den seelsorgerischen Psychotherapeuten Abitur, ein Fachhochschulabschluss, ein Studium in Psychologie usw. erforderlich ist. Vielleicht ist es das, einfach um eine Gleichwertigkeit zum klinischen Psychotherapeuten herzustellen.

Es gibt noch vieles zu bedenken.

Schlusswort:

In der modernen Gesellschaft findet eine vermehrte Vereinsamung und Individualisierung statt. Wenn jemand mit seinem Leben hier und da oder insgesamt nicht gut zurecht kommt, muss der Mensch sich als krank definieren lassen mit allen gesellschaftlichen Nebenwirkungen. Zum Beispiel dass Referendare nicht ins Beamtentum gelangen können, wenn sie als psychisch krank gelten, festgestellt nach Aktenlage (hat sich psychotherapeutisch behandeln lassen).

Der Beruf des seelsorgerischen Psychotherapeuten eröffnet die Möglichkeit der Behebung von seelischen Schwierigkeiten ohne Wartezeiten und ohne Diskriminierung.

Seelsorge ist auch Hilfe zur Sinnfindung.

Die vier Merkmale der Sinnerfüllung:

  • Bedeutsamkeit: Ich werde wahrgenommen, erfahre Resonanz auf mein Dasein und erlebe, dass mein Handeln (oder Nicht-Handeln) Konsequenzen hat.

  • Orientierung: Ich habe einen Lebensweg gewählt und kenne die Richtung, in die ich gehen will.  

  • Zugehörigkeit: Ich erfahre mich als Teil eines größeren Ganzen und als in diese Welt gehörig.  

  • Kohärenz: Mein Leben erscheint mir stimmig und passend und ich widerspreche mir nicht selbst in meinem Handeln. 

SinnDesLebens24, Interview mit Tatjana Schnell

                 Memorandum "Reflexive Neurowissenschaft

zur neuropsychologischen Forschung und dem Leib-Seele-Problem.
psychologie heute online 12.5.2014

 

© Dr. Uwe Wiest, Delmenhorst, im Februar 2025