Asymmetrische Gespräche, bei denen die dominante Person viel spricht, die unterlegene Person wenig oder gar nicht, führen leicht dazu, dass die dominante Person sich für erfolgreich hält, was sich mittel- und langfristig als Irrtum erweist. Die zuhörende und erwidernde Person ist der Dominanz nicht gewachsen oder kann sich nicht so gut ausdrücken, ihr gehen die Argumente aus, insgeheim hat sie Angst oder wird wütend, kann das aber im Gespräch nicht äußern. Sie hat den Wunsch, das Gespräch zu beenden, indem sie die dominante Person nicht unterbricht, in der Hoffnung sie hört irgendwann auf.
Anschließend erfährt die dominante Person: ihre Anordnungen, Ratschläge, Empfehlungen wurden nicht befolgt. Das wird dem Gesprächsteilnehmer wiederum zur Last gelegt: Uneinsichtig. Destruktiv.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Strafpredigt, zum Beispiel zwischen Lehrerin1 und Schüler².
Vieles Reden führt erst einmal dazu, dass man sich von sich selber überzeugt. Viel redende Personen fühlen sich immer besser, je mehr sie reden und je öfter sie sich wiederholen. Reagiert das Gegenüber sagen wir mal zurückhaltend, reden die Vielredner noch mehr.
Es ist eine Verwechslung von: „Ich überzeuge dich“ mit „Ich überzeuge mich.“
Aber auch wohlmeinende Gespräche
können mittelfristig eine negative Wirkung haben. Eine Person
vertraut sich jemandem an, erfährt wohlmeinendes Interesse, sagt
dann Dinge, die sie eigentlich für sich behalten wollte und schämt
sich für ihre Offenheit.
So geschieht es manchmal in der
psychologischen Beratung: es war ein intensives Gespräch, die Person
fühlt sich im Nachhinein ausgehorcht und kommt nicht wieder.
Es gibt Vielredner,
die immer Recht haben oder machtbewusst
sind
oder beides. („Ich bin die Referentin aus NRW, jetzt unterbrich
mich nicht, Bremer“, auf der Familienebene: "Bei Tisch wird nicht
geredet, und schon gar nicht, wenn Vater spricht“).
Dazu gehören auch Leute, die ungefragt
und keinen Widerspruch duldend ihre politischen Ansichten darlegen
und von vornherein signalisieren, dass andere Ansichten einfach
„daneben“ sind.
die sich selber gern reden hören und ihre Rede ständig kultivieren. Sie wollen ihre Urlaubsgeschichte einfach jedes Mal besser ausgestalten.
Wenn man sie noch nicht kennt, sind es oft wirklich interessante Personen – erst im Laufe der Zeit merkt man die Einbahnstraße. Sie dulden keine anderen Erzählungen neben der ihren, die ständig reden, weil sie fürchten, dass man ihnen nicht zuhört, wenn sie jemanden dazwischen lassen. die überzeugt davon sind, dass sie langweiliger sind als andere, und die deshalb Angst haben, dass andere sie mit wenigen Sätzen beiseite wischen. Das sind langweilige Menschen mit hohem emotionalen Druck („Heinz“).
Sie kommen vom Hundertsten ins Tausende, bringen keine Dinge zuende, wenn man sie kennt, weiß man, dass ihre Witze keine Pointe haben.
Schweiger sind oft ängstlich, sie fürchten Kritik. Sie kritisieren aber gern diejenigen, die reden. Vor sich selber und vor vertrauten Personen, die ihnen nicht widersprechen. Auch das Schweigen oder wenig Reden dient dazu, den eigenen Standpunkt aufrecht zu erhalten.
Schweiger im Gespräch unterstützen Vielredner und sorgen ihrerseits für eine Einbahnstraßen-Kommunikation. Wenig Reden oder gar Schweigen ist so eine mächtige Strategie, die vermeintlich dominante überlegene Person auf die Dauer hilflos machen können.
Der Preis ist für Schweiger aber oft hoch. Sie müssen viel tun, um keinen Wutanfall zu bekommen oder erbrechen müssen. Sie sitzen oft unglaublich auf Kohlen. Manche Schweiger haben irgendwo ihre Grenze und werden abschließend doch wütend. Andere erzählen sich selber etwas Besseres, zählen Kirchenfenster oder wie viele Brillenträger und Nicht-Brillenträger anwesend sind. Wenn die Schweiger Mut haben, lesen sie Akten oder in einem Buch.
Vielredner und Schweiger haben eins gemeinsam. Sie sind auf Distanz und ganz bei sich. Sie wollen nichts hören, was sie zum Bedenken ihrer Position bringen könnte. Sie verweigern den Austausch.
Vielredner: haltet inne. Versichert euch, dass ihr verstanden werdet. Fordert Stellungnahmen ein.
Schweiger: stoppt die Vielredner. Äußert euer Unbehagen. Gebt
eine Rückmeldung, dass ihr euch an die Wand geredet seht, dass das
kein Gespräch ist. Redet dazwischen, hartnäckig.
Beide: Denkt euch in die anderen hinein. Stellt euch vor, ihr seid die andere Seite. Das ist sicher anstrengend, macht aber vieles klarer und verständlicher.
Übernehmt Verantwortung für euer Verhalten.
"Reden ist Silber, Schweigen ist Gold".
Das Sprichwort bewertet das Schweigen höher als das Reden. Differenzierter betrachtet: je mehr jemand redet, desto weniger wert ist das einzelne Gesagte. Wirklich weise Personen gehen mit ganz wenigen Sätzen in die Geschichte ein. Dauerredner werten ihre Mitteilungen zu einem Hintergrundrauschen ab.
Schweiger aber werden einfach vergessen. Sie haben wohl nichts zu sagen.
Dauerredner entwerten ihre Mitteilungen. Dauerschweiger entwerten sich selbst.
Schweiger, die anfangen, einzelne Aussagen zu machen, können sich großer Aufmerksamkeit sicher sein.
© Dr. Uwe Wiest, Delmenhorst 2016
Hier könnte eine Fabel passen mit dem Titel: der Pfau und der Maulwurf.
¹oder Lehrer ²oder
Schülerin