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Misslungene und gelungene Kommunikation

Wenn zwei oder mehrere Personen miteinander sprechen, geschehen mehrere Dinge gleichzeitig. Da gibt es die Sprachebene, natürlich. Das Wort, die Sätze. Der Sprachklang. Die Mimik, die Atmung, die Gestik. Mit all dem zusammen wird etwas ausgedrückt. Wenn etwas gesagt wird, wird dies zum Beispiel mimisch unterstrichen oder abgeschwächt.

Wenn eine Person eine andere lobt, und dabei ein schlaffes Gesicht und ausdruckslose Augen macht, wird die andere Person das merken und nicht sehr erfreut sein. Durch solche Diskrepanzen, in der Psychologie »Doppelbotschaften« genannt, kann die empfangende Person nur mit Irritation reagieren. Das ist oft schlimmer, als wenn jemand einfach unzufrieden ist und dies äußert.

Wie kommt so etwas zustande? Es kann sein, dass die Person, die lobt, wie sagt man, mehrere Seelen in ihrer Brust hat. Sie findet das, was sie lobt, eigentlich gar nicht lobenswert. Sie sagt das nur, weil sie das für professionell hält. Sie lobt »pädagogisch«.

Von daher ist es sehr schwer, einen Ratgeber zur Führung von Gesprächen zu schreiben. Im Grunde muss man, wenn man eine Gesprächssituation betrachtet, und Verbesserungen entwickeln möchte, einen ganzen Kosmos von Bedingungen im Auge haben.

Da ist die Situation des Gesprächs.
  • Welche Rolle nehmen die Gesprächspartner ein? ist die eine Person Gastgeber, die andere Gast? Gibt es ein Hierarchieverhältnis? Eine Vorgeschichte? Sind die Absichten erkennbar, sind sie eindeutig? Kann die eine Person besser reden als die andere? ist sie dominant? Interessiert sie sich für den anderen Menschen oder gilt es hier eine Rolle wahrzunehmen?
  • Wie steht es mit Erregungsmustern? Ist eine Person, sind beide sauer, wütend, traurig, verliebt oder in sonst einer bedeutsamen Gemütslage?
  • Gibt es eine gruppen- oder schichtspezifische Sprache, die bei der anderen Seite unangenehme Gefühle auslöst? Angst, Verachtung zum Beispiel?
In Gesprächen laufen kleine Belohnungs- und Bestrafungsmuster ab. Man fällt sich ins Wort, blickt woanders hin, scharrt mit den Füßen, fängt ein ganz anderes Thema an.

Geschieht so etwas, weiß die Person, der das widerfährt, instinktiv, dass ihr Beitrag zum Gespräch wohl nicht ankommt, aber es ist nicht klar, warum nicht.

Irrige Annahmen und Manipulationen:

  • Je mehr du redest, desto klarer kommt herüber: deine Meinung gilt etwas. Wenn dein Gegenüber von dem, was du sagst, nicht überzeugt ist, musst du es noch einmal sagen. Ausführlicher, eindringlicher. Je mehr du redest, desto mehr kommt an und wird berücksichtigt.

  • Wenn du geredet hast, und dein Gegenüber will etwas erwidern, blickst du weg. Oder du fängst ein anderes Thema an. Du wendest dich um, beginnst das Gespräch mit jemandem anderem. Du hast gesprochen, was soll da die Erwiderung.

  • Falle deinem Gegenüber ins Wort, wenn du den Beitrag für falsch oder irrelevant hältst. So beherrscht du das Gespräch.

  • Stelle deine Überzeugungen als objektiv dar, die des Gegenübers als subjektiv. Dafür gibt es eine Menge Einzelvarianten, wie man das macht. - Die pädagogische Version heißt: ich weiß alles und kann alles beurteilen. Du weißt gar nichts.

  • Auf der emotional-sozialen Ebene: ich bin für das Gute und bin sozial reif. Du hingegen bist unsachlich, ärgerlich, aggressiv, bockig (Mann), zickig (Frau) -  mit anderen Worten, kindlich, kindisch.
    Eine Methode, eine Variante der Doppelbotschaften, ist, die andere Person aufzufordern: "Entspanne dich mal", " gib mal Ruhe". Am besten mit erregter oder tadelnder lauter Stimme. Dazu ein kleiner Aufsatz in "Jetzt".
    Das ist paradox und macht erst richtig wütend, wenn man es vorher noch nicht war, und man kann es nicht äußern, weil man sich ja entspannen soll.

  • Weitere Beispiele für Doppelbotschaften, die andere in eine emotionale Zwickmühle bringen, bei Wikipedia.
  • Zeige, dass du für die andere Person wenig Zeit hast, du hast Wichtiges zu tun. Es muss genügen, ein paar Takte zu sagen, und dann muss das verstanden worden sein.

Das hört sich ziemlich plump an, es gibt auch ein paar feinere Methoden, die manche als wirksam erleben.

  • Der anderen Person das Wort im Munde herumdrehen. „Wie Sie ja selber gesagt haben ...“

  • Oder virtuelle Mehrheiten herstellen: „Da wird mir jeder Recht geben ….“

  • Oder du berufst sich auf Wissenschaft und entsprechende Erkenntnisse. Das kommt gerade in der Pädagogik gut.

  • Weniger dominant ist die Masche »andere sabbeln lassen«, nicht zu verwechseln mit zuhören. Du lässt die andere Person reden und erzählst dir in der Zwischenzeit was anderes oder träumst. Nach zehn Minuten sagst du etwas, das der anderen Person zeigt, du hast nicht zugehört oder du bist völlig unbeeindruckt.

Natürlich treffen Personen, die solche Grundüberzeugungen umsetzen oft auch auf Personen, die das ebenfalls tun. Oder die das noch perfekter können. Solche Gespräche werden lang und emüdend. oder sie brechen nach kurzer Zeit ab, in jedem Fall nehmen sie ein unfruchtbares Ende.

Pyrrhus-Siege

Pyrrhus war ein griechischer Feldherr, der in Süd-Italien die Römer besiegte, aber daraus langfristig keinen Nutzen ziehen konnte.

Man kann Gespräche so führen, dass die andere Seite beim Abgang gefaltet unter der Tür durchpasst. Mit Kindern, mit Eltern, mit Kollegen, Mitarbeitern. Wie man das macht? Siehe oben.

Die andere Person geht grollend und verletzt davon. Wenn sie machtlos ist, wird das keine Folgen haben. So ganz machtlos ist aber kaum jemand, und wer sinnt da nicht auf Rache für den passenden Moment?

  • Zu mir hat mal jemand gesagt und zwar mit lauter Stimme, die keinen Widerspruch duldet: „Mit deinem Billig-Bier würde ich nicht mal mein Auto waschen.“

    Klarer Fall: ich habe natürlich den Mund gehalten. Und trinke weiter mein Billig-Bier. Und den Typ halte ich aus mehreren Gründen für unangenehm und dämlich.

Voraussetzungen für einen Dialog

Ein Dialog ist ein Hin und her. Du sprichst, du hörst zu. Du nimmst die Reaktionen deines Gegenübers auf das, was du sagst wahr und beziehst diese in dein Gesprächsverhalten ein.

Ein Dialog ist ein Geben und Nehmen. Nur wenn klar ist, dass die eine Person »dran« ist, geht es in Ordnung, wenn eine Person das redet und die andere zuhört. In Alltagsgesprächen trägt jeder gern etwas bei. Zu lange Monologe ermüden, die Zuhörerin, der Zuhörer fühlt sich ausgenutzt.

Voraussetzung für einen guten Dialog ist, das du an deinem Mitmenschen und dem, was sie oder er mitteilt, interessiert bist, dass du neugierig bist. Du kannst aber auch erwarten, dass du irgendwann »drankommst«.

Vorüberlegungen für ein Gespräch

Will ich mich überwiegend mitteilen?

Will ich Anteilnahme?

Will ich die Sympathie einer Person gewinnen?

Bin ich auf dem Kriegspfad, weill ich jemanden erziehen, bestrafen, "Klartext reden", "den Marsch blasen"?

Will ich bei der anderen Person etwas Bestimmtes erreichen?

Will ich jemanden beeinflussen?

Will ich einen Austausch?

Was will ich mir auf keinen Fall gefallen lassen und

Was tue ich dann, wenn das eintritt?



© Uwe Wiest, Delmenhorst 2016, 2020